Fernweh

Ponta Delgada

Eine Marina, wie sie im Atlantik oder auch im Mittelmeer üblich ist, entspricht meist mehr als nur einem Parkplatz für Boote. Oftmals sind die Marinas großflächig und manches Mal geradezu absurd riesig angelegt im Vergleich zum Hauptort. 

In der kulturellen Hauptstadt der Azoren, Ponta Delgada, haben die Ausdehnungen der Marina in den letzten Jahrzehnten auch immer weiter zugenommen. Wellenbrecher wurden erweitert,  Kreuzfahrtanleger vergrößert und neben die alte Marina wurde eine mehr als doppelt so große, neue Marina gebaut. Die Hafenplaner denken groß hier.

Verständlich, denn das Interesse an den Azoren ist in Seglerkreisen traditionell hoch, wächst zudem jährlich durch immer größer werdende Segelveranstaltungen wie der (ARC) und Regatten in und um die Azoren herum (AZAB). 

Es können hier mehr als 600 Schiffe festmachen, meist nicht nur einzelne Skipper sondern mehrköpfige Crews und so gleicht der Hafen in der Hochsaison mehr einem Vorort oder einem kleinen Stadtteil. Die Stege werden zu Stichstraßen und die Liegeplätze zu gutbürgerlichen Reihenhäusern, nur dass beinahe jeder Nachbar eine andere Fahne gehisst hat.

Wenn man dagegen den Winter in der Marina Ponta Delgada verbringt, ist das wie in einer kleinen Geisterstadt. Nicht etwa, weil Ponta Delgada ausgestorben wäre, nein, die ursprüngliche Stadt bleibt vom Verwaisen verschont. Dort herrscht dieselbe Betriebsamkeit mit Märkten, Festen und vollen Restaurants. 

Die Marina jedoch ist wie leergefegt, zumindest was Menschen angeht, denn gut ein Drittel der Liegeplätze ist nach wie vor besetzt – nur ohne Besatzung. Eine Geisterstadt mit Geisterschiffen.

Bewegung herrscht noch immer, alles knarzt und klappert wo es nur kann, aber gesprochen wird nicht mehr. Unzählige Male trifft man auf dem Weg zur Dusche und zurück nicht einen einzigen Menschen, dafür vielleicht einen sechsbeinigen Insektenfreund beim Erkundungsrundgang. Im Winter muss hier jeder schauen, wo er bleibt.

Die wenigen Segler, die hier ausharren, kennen sich schnell untereinander. Über das Wetter spricht man zuerst, natürlich, anschließend über die Dünung, die die Stege manchmal zu kleinen Achterbahnen macht und dann über den besten Verkäufer für neues Tauwerk. Selbstläufer, man sitzt ja fast im selben Boot.

Und da liegt manchmal auch das Problem. Bootleute reden über Bootssachen, „boatpeople talk boatstuff“. Bootstypen, Rigg, Ankerplätze, Equipment…Segelbedingungen gehen immer, und dass die Wellenhöhe bei jedem neuen Gesprächspartner um einen Meter zulegt, ist ungeschriebenes Gesetz. Soweit so unproblematisch, doch das Resultat ist eine Filterblase.

Die Filterblase verlässt man meist erst, wenn man mehr Zeit an einem Ort verbringt. Mehrmals auf verschiedenen Stationen unserer Reise ist das nun schon passiert, doch Ponta Delgada war anders. Wir hatten nicht vor, hier den Winter zu verbringen. Der Hafen ist in bestimmten Lagen keineswegs tauglich für schweres Wetter. Das Leben an Bord wird zur Waschmaschine und das Material reißt und bricht wo es kann. Umso froher waren wir, als wir im Februar endlich einen Platz an Land ergattern konnten ohne zu wissen, dass in diesem Moment die Filterblase platzt.

Es war zunächst, wie die Male zuvor: Boot kranen, Hochdruckreinigen, Schäden suchen, ausbessern, schleifen, streichen und so weiter. Nur diesmal bekamen wir Unterstützung in Mannschaftsgröße. Ob Adapter für Anschlüsse, Strom, Werkzeuge, Werkbanken, Besorgungsfahrten und sogar die Einladung zu sonntäglichem Tintenfischeintopf, die Menschen dort hatten einfach Lust uns zu helfen. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Arbeiten zu erledigen und dennoch war immer genug Zeit um zu fragen, ob bei uns alles passt. Es war auch die Zeit, in der wir ein Stück weit in die Gesellschaft auf der Insel reingerutscht sind. Jeden Tag haben wir dabei mehr Leute kennengelernt und wurden von mehr Leuten gegrüßt. Manches Mal ging die Unterhaltung aus mangelndem Portugiesisch unsererseits nicht über Höflichkeiten hinaus, und manches Mal sitzt man plötzlich mit Hund auf dem Schoß in einem Pickup in Richtung Mini-Baumarkt und unterhält sich über Flugangst. Alles geht und mit der Zeit, stellt sich ein fast vertrautes Gefühl ein. Es fühlt sich dann irgendwann nicht mehr an, wie eine entfernte Inselgruppe mit fremden Menschen, sondern ein ganz klein wenig wie Zuhause. Zwar nie ganz wie Zuhause, aber auch nie mehr ganz fremd.

Einmal so über die Azoren zu sprechen, hätte ich mir vor wenigen Jahren nie vorstellen können und jetzt ist es so, dass ich auch hier ein Stück Erinnerung zurücklasse. Jetzt ist es wieder so, dass man viele Tage und Monate an einem einst fremden Ort verbracht hat und wehmütig wird. Man weiß nicht, ob man jemals wiederkommen wird und ob man manche Menschen jemals wiedersieht. Genauso wenig, wird man sich an alle Details und Straßenzüge für immer erinnern können oder wissen, wann wo welcher Bus fährt…aber das Gefühl zu dieser Zeit, wird man nie mehr vergessen.

Und so wird auch klar, dass geplatzte Filterblasen manchmal mit einem Abschied bezahlt werden müssen, der nicht leicht fällt aber Teil der Abmachung ist.

Danke Azoren, Obrigado Acores. Es war wunderbar.

Nautisches:

Wir fahren sehr wahrscheinlich am 30.06.19 gegen mittag los und sind zwischen 7 und 10 Tagen unterwegs. Kurs Richtung Osten, und weil wir keinen absolut festen Zielhafen haben, nehmen wir was der Wind uns zu bieten hat. Das heißt von Coruna, Porto, Lissabon oder sogar Cadiz ist alles drin, wobei wir versuchen werden uns nördlich zu halten.

Der Tracker ist unter „Peilung“ zu erreichen oder hinter diesem Link:

https://share.findmespot.com/shared/faces/viewspots.jsp?glId=0WkEp4jn7qF9FovyGK7BB4kVKLT4n83Uv

Und nicht vergessen, wenn das Signal mal für einige Zeit ausfallen sollte, heißt das gar nichts. Lediglich, dass der Tracker vielleicht gerade stromlos ist oder er kein Signal bekommt.

Sollten wir Schwierigkeiten haben, haben wir ganz andere Kaliber um auf uns aufmerksam zu machen (https://de.wikipedia.org/wiki/Notfunkbake) und selbstverständlich haben wir alle sonstigen Vorkehrungen getroffen.

Das bedeutet, der Tracker soll zur Info und zur Unterhaltung dienen und nicht dazu, sich Sorgen zu machen!

Enjoy!